„Guten Morgen Schlafmütze!“ Dröhnte es durch ihren Schädel. Jemanden sanft zu wecken, war nicht unbedingt die Art ihres Familiars, zumindest nicht, wenn die zu weckende Person ein ganzes Wochenende durchgezecht hatte. „Wer Feiern kann, kann auch arbeiten! Zumindest, wenn die Haushaltskasse so leer ist wie Unsere. Frühstück ist übrigens auch schon fertig. Auch wenn man es fast schon ein Mittag nennen könnte.“ Mit einem leichten beleidigten Unterton verzogen sich die Gedanken wieder aus ihrem Kopf und ihre Ohren hörten, wie der massige schwarze Wälzer mit den Seiten flatternd aus ihrem Schlafzimmer verschwand.
Ihre Augen, die sie so eben quälend langsam aufgeschlagen hatte, erfassten das rote Lesebändchen, welches ihr Familiar, einem Hundeschweif nicht unähnlich hinter sich herzog. Im Gegenzug erschien ein kleiner Manageist der Kirin Tor im Türrahmen der holzvertäfelten Wand ihres Schlafzimmers. Die violette Wolke, die einem umgedreht Tropfen glich, stemmte mit seinen kurzen Armen ein Tablett vor sich her und schob es auf die unordentliche Bettdecke am Fußende. Kommentarlos verließ er wieder den Raum. Seine Arbeit war getan und zur Konversation war er nicht geschaffen.
„Was steht den heute im Kalender?“ Fragte sie aus ihrem Himmelbett heraus. Die durchsichtigen violetten Seidenvorhänge waren zur Seite gezogen worden und die Vorhänge der mannshohen Fenster ließen das Licht herein und ermöglichten freie Sicht auf die Stadt. Früher Vormittag, so urteilte sie knapp, nach einem Blick auf die Türme Dalarans.
Seufzend und hörbar ausatmend stemmt sie ihren Körper durch das Gewirr der Decke zum Tablett, wo sie von drei Schinkenbroten, einem Glas mit Saft – Apfelsaft, der Färbung nach zu Urteilen – und einem Becher mit Tee, erwartet wurde. Angestrengt entkam ihrem Mund ein gähnen und sofort merkte sie die wieder die spröden Lippen und schweren Augenlider aus den Beiden vorangegangen Nächten. Aber wo ihr Familiar recht hatte, hatte er recht. Einmal im Jahr konnte man sich etwas gehen lassen. Aber danach rief der Dienst wieder nach einem und als Kirin Tor pfiff er einen manchmal herbei.
„Tja, was im Kalender steht, solltest du eigentlich wissen Mädchen.“ Antwortete der Wälzer herablassend, flatterte wieder herein und ließ sich aufgeschlagen neben ihr auf das Bett fallen. Die leeren Seiten blätterten sich von alleine in das hintere Drittel des Buches vor und nach einem kurzen Moment erschien in sorgsam geschwungener Handschrift eine Liste von Terminen. Netterweise war der Vormittag aber komplett freigehalten worden.
„Natürlich weiß ich das, aber ich möchte wissen welche Änderungen du vorgenommen hast.“ Da fiel ihr ein Haarband zwischen einer Deckefalte auf. Sie musste es beim anschlafen noch getragen haben. Schnell bändigte sie damit ihre dunkle weinrote Mähne zu einem Pferdeschwanz und wendet sich wieder dem Frühstück zu.
„Nun in weißer Vorraussicht und der genauen Kenntnis über das Verhalten meiner Meisterin im letzten Jahr, habe ich selbstverständlich, die Termine am heutigen Vormittag bereits in der letzten Woche verschoben.“ Kam die hochnäsige telepathische Antwort.
„Aber heute Mittag ist unbedingt ein Essen mit Magus Voltan notwendig, er meinte eine neue Idee für deine Rüstung vorschlagen zu wollen. Für den frühen Nachmittag ist immer noch der Übungsraum reserviert, wie üblich für zwei Stunden und danach solltest du dich endlich wieder an deine Studiumsarbeiten zur Bannungsmagie machen, die Lehrbücher für Schilde und Bannungszauber liegen bereits seit einer Woche auf deinem Schreibtisch. Unangetastet.“
„Ich weiß, ich habe es etwas schleifen lassen.“ Entlockte er ihr eine Antwort zwischen zwei Bissen.
„Schleifen lassen.“ Moserte der Wälzer zurück. „Unbedingt wahrnehmen musst du heute Abend allerdings das Essen mit deinem Verwalter. Er und ich sind uns einig, das es momentan mit deinen Ausgaben so nicht weitergehen kann.“
„Ihr zwei? Ihr könnt noch nicht einmal miteinander sprechen.“ Gab sie zurück.
„Sagen wir einfach, wir sind unabhängig von einander, zum gleichen Ergebnis gekommen.“ Wich ihr Familiar der Bemerkung aus.
„Und das wäre?“ Angestrengt neigte sie den Kopf nach links und rechts, ein entspannendes Knacken der Wirbel blieb aus. Um Geld hatte sie sich nie Sorgen müssen. Sie war zwar nicht immer flüssig gewesen, aber es kam ausreichend Geld rein um die Rechnungen zu bezahlen und etwas zurück zulegen. Was sollte sich jetzt daran ändern?
„Der Krieg zwischen Horde und Allianz ist zwar geradezu ein Gewinn für die Wirtschaftlichkeit deiner Investitionen, aber deine Schnappsidee, dich mit einer Sperrminorität in diesen Schundverlag einzukaufen, der diese Hefte mit Nacktbildern vertreibt, hat unsere komplette kurzfristige Liquidiät vernichtet. Kurz gesagt: Dein Tresor in Eisenschmiede ist leer und die nächsten Einzahlungen lassen noch mindestens zwei Wochen auf sich warten.“
„Tatsächlich? Was ist mit dem Kartoffelkeller?“ Ihre Gedanken zog es momentan eher zu diesem Tee, den der Familiar hier hingestellt hatte, beruhigte die Sinne, schmeckte leicht nach Vanille und Friedensblume. Sogar das unangenehme Gefühl auf den Lippen schien sich zu mildern.
„Wenn du nicht schon wieder etwas herausgenommen hast, sollten in der alten Kiste auch nur noch etwa 17 Gold und 124 Silberstücke sein. Den gröbsten Teil des Inhalts hast du bereits für dein Konstrukt und deine neue Rüstung verschwendet.“ Antwortete das Buch und klappte sich wieder zu. „Wenn du wissen willst, wie viel es tatsächlich ist, wirst du wohl selbst in den Keller gehen, die Kartoffeln zur Seite schaufeln und nachsehen müssen. Das ist nun wirklich nicht meine Aufgabe.“
„Mal davon abgesehen, das dir dazu die Hände fehlen.“ Das war keine beflügelnde Nachricht.
Vor zwei Jahren hatte sie bei einem Feldzug gegen eine Untotenplage, zusammen mit anderen Offizieren einen Drachenhort geplündert und neben einigen Artefakten und magischen Reagenzien, eine Holzkiste aus Schiffsplanken randvoll mit Gold und Silbermünzen, mitgehen lassen. Zur Sicherheit vor Dieben stand diese Kiste, bedeckt von leicht modernden Kartoffeln, in einem Kellerraum ihres Hauses in Eisenschmiede.
Bisher hatte sie sich bei ausgefallenen Anschaffungen immer auf diese Kiste verlassen. Sollte ihr Inhalt zu neige gehen, müsste sie wieder einen anderen finanziellen Ausgleich für ihre Entwicklungsideen zu einer neuen Magierrüstung finden.
„Übrigens,“ meldete sich das Buch wieder. „letztes Jahr hast du nur deine Unterwäsche auf dem Ball der Hekates gelassen. Das war nicht teuer. Aber dieser Tausch, Robe, Stiefel und Handschuhe gegen ein einfach Herrenhemd war dieses Jahr wirklich schlecht. Die Robe zu ersetzen wird auch nicht billig.“
„Gut du hast ja recht. Ich frage mal bei den Tränen des Adlers an, wie es um die Liquidierung der Expeditionsfundstücke stejt und ich werde diese Woche keine großartigen Einkäufe mehr tätigen. Dann haben wir in der nächsten Woche noch ein wenig mehr über.“
„Ich hätte da eine bessere Idee.“ der Wälzer erhob sich wieder und flatterte eifrig davon, wahrscheinlich zu seinem Regalbrett im Wohnraum.
„Und die wäre?“
„Einfach nicht so oft auswärts essen gehen und selbst kochen lernen, damit könnten wir uns einige Ausgaben sparen. Und nun beweg dich raus aus dem Bett. Ich lasse schon mal Wasser ein, deine Nase sagt mir, dein Bett müffelt wie ein Mondsäblerkäfig.“
Kurz ertappte sie sich selbst dabei an ihrer Bettwäsche zu schnuppern, unterließ es dann aber. Er hatte recht.
So schwang sie dann die langen Beine aus dem Bett, kam nach einem tiefen durchatmen auf beiden Füßen zum stehen und fand festen Stand. Die heutige Trainingseinheit würde sie auf morgen verschieben. Dafür war ihr Körper heute nicht geschaffen.